Schöner wohnen. Warum bauen wir eigentlich alles gleich hässlich?

(Veröffentlicht in der Dezember Ausgabe der GRETA)

Neben der Kosten steht auch der Baustil und die Gleichförmigkeit von neuer Wohnungsarchitektur immer wieder in der Kritik. Was hier provokativ als „hässlich“ tituliert wird ist es nicht zwingend im Einzelfall, aber in der Masse und Wiederholung. Zu den Gründen hier ein paar Thesen:

1. Weil niemand Experimente wagen muss, wenn sich sowieso alles vermieten lässt.

Daher muss gar keine Zeit und somit Geld eingesetzt werden um zu hinterfragen, ob es neue Wohnbedürfnisse gibt. Sondern das, was am Markt funktioniert wird einfach mit leichten Variationen reproduziert. Kein Risiko wegen neuen Materialien, Details oder Grundrissen die nicht den Standards entsprechen. Und noch mehr unterschiedliche Wohnungstypen zu Mischen bedeutet mehr Planungsaufwand.

2. Weil im Internationalen Immobilienmarkt immer ähnliche Bilder reproduziert werden.

Wohnungen sind langfristige Geldanlagen und werden weltweit vermarktet So schlägt auch hier die Globalisierung zu. Das zeigt sich beispielhaft im Siegeszug der bodentiefen Fenster – egal in welchem Klima ich baue, oder der hell verputzten Fassaden und Parkettböden – egal welche Materialien regional vorhanden und historisch verwendet wurden.

3. Weil die Verteufelung des Ornaments in der Architektur immer noch nachhaltig wirkt.

Im sehr amüsant zu lesenden Buch „From Bauhaus to our House“ von Tom Wolfe wird schon 1981 der Siegeszug der weißen Kisten angeprangert. Der radikale Befreiungsschlag der Architekten in den 20er Jahren war damals nachvollziehbar, aber seitdem gelten „zeitlose“ funktionale Schlichtheit und Stringenz als sehr hohes Gut in der Gestaltung und zu Buntes oder Verspieltes wird häufig abgelehnt.

4. Weil der Spielraum beim Bauen durch viele Regeln und Vorschriften verengt wird.

Anforderungen zur Belichtung, Belüftung und dem Brandschutz sorgen dafür, dass bestimmte Wohnungs- und Gebäudetypen besonders gut funktionieren und daher auch häufig wiederholt werden. Auch im sozialen Wohnungsbau gibt es relative starre Vorgabe zu Größe und Anzahl von Zimmern. Um der Förderfähigkeit und Vergleichbarkeit Willen soll keiner einen Erker mehr erhalten.

5. Weil jeder Quadratmeter zählt.

Um möglichst viel aus dem Grundstück herauszuholen gibt es ein Flachdach statt einem teilweise nicht nutzbares Satteldach-Geschoss. Keine großzügigen Treppenhäuser, weil die als Wohnraum fehlen und optimierte und erprobte Grundrisse statt Versuche hier neue Lebensentwürfe zu berücksichtigen. Flächen die nicht klar definiert sind, gemeinschaftlich genutzt werden oder aufgrund von schrägen Wänden nicht optimal möbliert werden können sind in so einer Rechnung in Abzug zu bringen. Dabei machen sie den Charme von vielen Wohnungen erst aus.

6. Weil die Wohnungen nicht von denen geplant werden die später darin wohnen.

Die Entscheidungen über Aussehen und Zuschnitte von Wohnungen treffen zu häufig Immobilienabteilungen, die den Markt sondieren und sehr selten die zukünftigen möglichen Bewohnerinnen und Bewohner. Wenn diese tatsächlich in aufwendigen Verfahren bei Genossenschaften mit eingebunden werden kommen meist ganz andere Gebäude und Wohnungen heraus.

Daher sollten wir weiter die Bauherrn und Planer unterstützen, die sich Zeit nehmen zum Nachdenken und Entwickeln wie z.B. die Genossenschaften. Laden wir mehr „Normalbürger“ ein sich an der Diskussion in Wettbewerben zu beteiligen. Und lernen wir von unserem gebauten Erbe. Die Bauherrn der Genossenschaftswohnungen von vor 100 Jahren haben das in der Mischung von Funktionalität, Gemeinschaftsbildung und Gestaltung schon ziemlich gut hinbekommen, nur dummerweise sind die Wohnungen meist nicht barrierefrei